21.05.2021

Interview mit Lena Fischer, Gurtenfestival AG

Dass ein Festival-Organisator ein Corona-Testzentrum betreibt, ist nicht alltäglich. Wie kam es dazu?

Wir hatten mit dem Kanton ein Gespräch über Kultur; dort erwähnten wir quasi in einem Nebensatz, dass wir etwas tun könnten, weil wir gezwungenermassen freie Kapazitäten haben. 

Kurz darauf kam der Sonderstab auf uns zu und fragte uns, ob wir die Kapazität und Kompetenz hätten, für sie ein Schnelltestzentrum zu planen, bauen und betreiben.

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht naheliegend erscheint, gibt es doch einige Dinge, die bei einem Testzentrum ähnlich sind, wie wenn man ein Festival organisiert: Man muss sich ähnliche Gedanken machen über Logistik, Aufbau, Personenfluss, Kommunikation an die Masse, usw. – Die Grundüberlegungen und Kompetenzen sind für den Organisator dieselben wie bei einem Festival.

Für die Einrichtung des Testzentrums – Container, Zelte, etc. arbeiten wir mit den bewährten Partnern, die wir auch beim Festival haben.

Wo lagen die Herausforderungen?

Im medizinischen Teil, der uns völlig fremd war. Hier hatten wir einerseits grosse Unterstützung vom Kanton und andererseits von DOCS.ch, unserem Sanitäts-Partner am Gurtenfestival.

Der Corona Sonderstab Kanton Bern hat uns initial mit Wissen versorgt und Abklärungen im medizinischen Bereich getroffen. Natürlich ist immer ein leitender Arzt vor Ort, der den medizinischen Teil unter sich hat.

Warum braucht man so viel medizinische Unterstützung für einen Corona-Test?

Der Corona-Test ist eigentlich keine «Rocket Science», aber man muss trotzdem viel wissen: Welche Schutzmassnahmen, Hygienemassnahmen einzuhalten sind, wie das Personal für die Tests geschult werden muss, wie die Testergebnisse gemeldet werden, wie der Abrechnungsprozess läuft…Wir mussten uns dieses Spezialwissen sehr schnell aneignen.

Die Gurtenfestival AG hat sich auch um alles Digitale gekümmert?

Ja. Wir haben die Software für die Testorganisation innert kürzester Zeit selbst gebaut. Ebenso die Anbindung für das digitale Abrechnen der Tests (Leistungsabrechnung) an die Buchhaltungssoftware; hier haben wir ebenfalls mit bewährten IT-Partnern (All-Consulting und Abacus) gearbeitet. Die Herausforderung lag hier darin, die Anforderungen der Krankenkassen an die Rechnungsstellung gemäss der Regelung zur Kostenübernahme durch den Bund erfüllen zu können.

Die Website für die Testanmeldung haben wir natürlich ebenfalls selbst gemacht. Schliesslich ist das «Public Management», die Kommunikation mit dem Publikum, unser Daily Business; hier bringen wir eine andere Perspektive ein als klassische Testinstitutionen: Wir überlegen uns, was Kundinnen und Kunden für Informationen brauchen, wie man die digitale Anmeldung möglichst einfach gestalten, kann, usw. – 

Wie wichtig war für Sie eigentlich die Digitalisierung des Testbetriebs?

Für uns war klar: Wenn wir das Testzentrum machen, dann bauen wir unsere eigene Software, und zwar so, dass alles digital und vollautomatisch läuft. Dies ist unabdingbar, um die nötige Effizienz zu garantieren. Hier haben wir eine Lösung mit unserem System gefunden.

Ganz am Anfang haben wir die BAG-Meldungen (Testresultate) noch per Mausklick versendet, weil das BAG noch keine digitale Schnittstelle angeboten hat. Nach wenigen Wochen konnten die BAG-Meldungen dann automatisch vom System ausgelöst werden, sobald das Resultat eingetragen wurde. Unsere Mitarbeitenden haben ein Gerät (Smartphone), in welches sie das Testresultat eingeben, von hier aus werden vollautomatisch das SMS an die Testperson und die BAG-Meldung ausgelöst – und alles Weitere, das damit verbunden ist.

Die Gurtenfestival AG führt neu auch mobile Einsätze durch. Was können Sie uns darüber berichten?

Seit anfangs Jahr machen wir auch sehr viele mobile Einsätze. Wir haben ungefähr rund 100 Mitarbeitende, mit sehr unterschiedlichen Pensen. Ein kleiner Teil davon sind unsere Helfer:innen beim Gurtenfestival, die meisten aber stammen aus verschiedenen Bereichen. Zum Beispiel Menschen, die in ihrem angestammten Beruf im Moment nicht arbeiten können. Wir haben diese Leute selbst rekrutiert.

Der Kanton Bern hat einen «Corona-Truck». Das ist ein umgebauter LKW, der in den Gemeinden unterwegs ist, zum Beispiel gerade heute in Burgdorf, wo sich die lokale Bevölkerung testen lassen kann. Der Truck gehört zwar dem Kanton, aber wir machen die Einsatzplanung, organisieren die Mitarbeitenden, übernehmen die Betriebsleitung vor Ort und natürlich alles Digitale. Dazu kommen Massentestungen bei Ausbrüchen in Schulen.

In den vergangenen Wochen haben wir grob geschätzt mehr als die Hälfte der mobilen Massentests im Kanton Bern umgesetzt.

Lena Fischer, herzlichen Dank für dieses Interview.

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