24.01.2024

Obligatorischer Rechnungskopie-Versand – eine Bestandesaufnahme

Eine Umfrage unter den Schweizer Gesundheitsdienstleistern zeigt die Auswirkungen des obligatorischen Rechnungskopie-Versands sowie den Stand der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Die Kurzversion: Die Vorgaben wurden mehrheitlich umgesetzt, doch ob diese Massnahme beim Kostensparen hilft, bezweifeln sowohl Leistungserbringer als auch Intermediäre.

Die Ausgangslage: Seit dem 1. Januar 2022 sind alle Leistungserbringer des Gesundheitswesens gesetzlich dazu verpflichtet, den versicherten Personen unaufgefordert eine (elektronische) Rechnungskopie der erbrachten Leistungen zuzustellen – dies im Rahmen der Massnahmen zur Kostendämpfung in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP). Eine Arbeitsgruppe der IG eHealth befragte anfangs 2023 Schweizer Gesundheitsdienstleister hinsichtlich dieser neuen Pflicht sowie der Digitalisierung. Drei Firmen, die in unterschiedlicher Weise in diesen Prozess involviert sind, waren massgeblich an dieser Erhebung beteiligt: Erstens MediData AG als Lieferantin einer digitalen Lösung für den Versand von Rechnungskopien, zweitens Indema AG als Beratungshaus mit Fokus auf die Gesundheitsbranche sowie drittens Synlab als Labordienstleister.

Erfreuliche Resultate, aber …
Rund 180 Leistungserbringer aus der ganzen Schweiz sowie aus verschiedenen Bereichen wie z. B. ambulante Praxis, Spital, Labor oder freischaffende Therapeut:in haben an dieser elektronisch durchgeführten Umfrage teilgenommen, die teilweise Überraschendes zutage förderte. Das Positive gleich vorneweg: Die gesetzlichen Vorgaben wurden mehrheitlich umgesetzt. Doch sehen Leistungserbringer und Intermediäre noch viel Verbesserungspotential. Weitere Erkenntnisse dieser Erhebung:

  • Zufriedenheit
    Die Frage, ob die aktuelle Lösung zufriedenstellend sei, konnte nur knapp die Hälfte aller Befragten bejahen (46 %). Als gravierende Nachteile wurden vor allem der zeitliche Aufwand, die Kosten für die Bereitstellung der Rechnungskopie sowie die technische Handhabung genannt. Die eingegangenen Antworten lassen zudem den Schluss zu, dass viele Leistungserbringer einerseits die Pflicht einer Rechnungskopie-Zustellung grundsätzlich in Frage stellen und andererseits die Wirksamkeit dieser Massnahme – eine Abbremsung der Kostenentwicklung – anzweifeln.
     
  • Aufwand
    Es zeigte sich, dass grosse Organisationen ihre Abläufe deutlich automatisieren konnten. Leistungserbringer mit dem tiefsten Rechnungsvolumen (0-500 Rechnungen/Monat) schätzten ihren Arbeitsaufwand mit durchschnittlich 2.7 Minuten pro Kopieerstellung und Versand am höchsten ein. Leistungserbringer mit einem Volumen zwischen 5'000–10'000 monatlichen Rechnungskopien hingegen kamen auf nur ca. 0.2 Minuten Aufwand pro Stück. Als besonders gross empfanden jedoch alle den Aufwand, Anfragen von Patient:innen zu bearbeiten, die nach wie vor noch nicht bezüglich des Obligatoriums informiert sind.
     
  • Einholung von Einverständniserklärungen
    Im Gegensatz zur Papier-Rechnungskopie darf eine elektronische Rechnungskopie nicht ohne das Einverständnis der Patient:innen verschickt werden. Etwas mehr als die Hälfte (58 %) der Befragten holt dieses Einverständnis schriftlich und mit einer Unterschrift ein. Etwas überraschend: Ca. 22 % aller Gesundheitsdienstleister gaben an, gar keine Zustimmung der Patient:innen einzuholen, während weitere 19 % die Erlaubnis nur mündlich einholen.
     
  • Kosten
    Der allgemeine Konsens: Für die Leistungserbringer ist die Versandpflicht von Rechnungskopien ein zusätzlicher Kostentreiber ohne nachvollziehbaren Grund. Daher beurteilten viele Umfrageteilnehmende die Kosten für die Rechnungskopie-Zustellung denn auch als negativ – unabhängig davon, ob die Zustellung postalisch oder elektronisch erfolgt.

Bewertung der beteiligten Firmen – Systemlieferant MediData AG
Die Firma MediData AG bietet eine gute Lösung für den elektronischen Rechnungskopie-Versand. Mit seinem Patientenportal ist das Unternehmen führend im Versand von digitalen Rechnungskopien und hat nach Einführung der Dienstleistung im ersten Betriebsjahr 1.9 Millionen Rechnungskopien verschlüsselt an Patient:innen verschickt. Die Bedingung: Für eine erfolgreiche Zustellung sind Angabe von E-Mail-Adresse und Mobiltelefonnummer zwingend – wegen der sogenannten Zwei-Faktor-Authentifizierung. Dies hat anfangs für reichlich Irritation gesorgt, insbesondere bei älteren Patient:innen. Mittlerweile hat man sich daran gewöhnt.

Dennoch gibt das Ergebnis dieser Umfrage reichlich Stoff zum Nachdenken für MediData. Im Patientenportal schlummert von viel Potential. Man ist daran, die Bereitstellung der Rechnungskopien laufend zu optimieren, auch wenn die an das MediData-Netz angeschlossenen Leistungserbringer gegenüber dem teuren Postversand jetzt schon von deutlich tieferen Preisen profitieren. Eine Schwachstelle gibt es nach wie vor: Tarmed. Diese komplexe Rechnungsart ist für viele Patient:innen schwierig zu verstehen, zudem überprüfen sie aus mehreren Gründen oftmals ihre Rechnung gar nicht. Gut möglich also, dass diese Rechnungsdokumente vielfach entweder ungelesen im Patientenportal verbleiben oder direkt im Altpapier landen.

Bewertung der beteiligten Firmen – eHealth-Experten Indema AG
Das Beratungshaus Indema AG unterstützt Spitalkunden, unter anderem auch bezüglich des elektronischen Versands von Rechnungskopien. Trotz guter digitaler Lösungen versenden die allermeisten Spitäler ihre Rechnungskopien immer noch per Post – was sich für ein mittelgrosses Spital pro Jahr auf eine sechsstellige Summe beläuft. Der Grund: Die technische und organisatorische Umsetzung ist für viele Spitäler noch zu komplex.

Was also ursprünglich die Kosten dämpfen sollte, generiert nun einen erheblichen Mehraufwand – teilweise muss sogar zusätzliches Personal rekrutiert werden. Während sich kaum jemand bezüglich falsch abgerechneter Leistungen meldet, häufen sich Meldungen von Patient:innen, die technische Unterstützung benötigen oder nicht wissen, warum sie überhaupt eine Rechnungskopie erhalten.

Bewertung der beteiligten Firmen – Labordienstleister Synlab
Nach anfänglichen Schwierigkeiten gehört der Rechnungskopie-Versand zwar mittlerweile auch im Laborbereich zum täglichen Business, zielt jedoch aus Sicht der Laborverantwortlichen völlig an den Patient:innen vorbei. Selbst Monate nach der Einführung führt er noch immer zu erheblichen Verunsicherungen auf Patient:innenseite. Die Rückfragen sind sprunghaft angestiegen, in erster Linie aus technischen Gründen. Dies führt oftmals zu Unmut – bei allen Beteiligten.

Ein weiterer Minuspunkt: Es gibt keine ganzheitliche Lösung. Bei einem Spitalaufenthalt erhalten Patient:innen oftmals drei oder mehr digitale Zugänge, um ihre Daten abzurufen. Findet eine Behandlung über die Kantonsgrenze hinaus statt, kann diese Zahl noch weiter ansteigen. So erhalten die Patient:innen zwar Zugang zu allen Details und könnten die Abrechnungen auf eventuelle Fehler überprüfen, doch im Regelfall kapitulieren sie vor dem heterogenen Serviceangebot und der teilweise hochkomplexen User Experience.

Fazit
Die Umfrage zeigt auf, dass der Rechnungskopie-Versand als kostendämpfende Massnahme nicht geeignet ist. Zwar kommen die meisten Leistungserbringer im Gesundheitswesen ihrer gesetzlichen Verpflichtung nach, müssen aber im Durchschnitt rund 80 Sekunden für die Bearbeitung einer Rechnungskopie aufwenden und kämpfen daher mit einem steigenden administrativen Zusatzaufwand. Teilweise ist eine digitale Umsetzung gar (noch) nicht möglich. Auf Patientenseite herrscht nach wie vor viel Verunsicherung. Zudem wird die Möglichkeit, Rechnungen gründlich zu prüfen, kaum genutzt.  

Es bleibt daher die Hoffnung, dass die Verantwortlichen die aktuelle Situation kritisch hinterfragen und zeitnah geeignete Massnahmen ergreifen, um dem ursprünglichen Ziel, der Kostendämpfung, wieder etwas näher zu kommen.

Studie der IG eHealth

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